Kein Facility Management ohne Digitalen Zwilling!

Der Digitale Zwilling gilt unbestritten als eindrucksvolles und innovatives Produkt. Was viele jedoch vergessen: Die 360°Grad-Ansicht einer Immobilie, einer Stadt oder Verkehrsinfrastruktur bietet mehr als nur ein virtuelles Abbild – und wird in Zukunft sogar unerlässlich, wenn wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette Ressourcenengpässe lösen und dabei effizient und nachhaltig wirtschaften wollen.

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Im Grunde ist der Digitale Zwilling nur ein Hilfsmittel, ein Tool. Der eigentliche Benefit liegt in einer Kosteneinsparung, einer Renditeerhöhung oder der Steigerung der Effizienz in den Prozessen . Dabei werden die vermeintlich hohen Kosten eines Digitalen Zwillings oftmals schon mit dem ersten Use Case gedeckt.

Der spezifische Nutzen eines Digitalen Zwillings lässt sich beispielsweise anhand des Lebenszyklus eines Gebäudes analysieren, der sich natürlich auch auf einen Campus oder eine Netzinfrastruktur anwenden lässt. Allen gemeinsam sind die Projektphasen Planung, Bau, Inbetriebnahme, Betrieb und Renovierung/Rückbau. In jeder Phase gibt es spezifische Use Cases mit individuellen Benefits:

  • Planungsphase: Kollisionsprüfung und die Reduzierung von Planungskosten bei größerer Planungssicherheit
  • Bauphase: Zeitgleiche Übermittlung der Planungsdaten an alle Gewerke inkl. von Liveaktualisierungen
  • Abnahmephase: Online-Dokumentation von Mängeln und im Nachgang die „As-„Built-Dokumentation“
  • Betriebsphase: Integration von Livedaten zur Steuerung des Gebäudes
  • Renovierungsphase: Simulation von Veränderungsmaßnahmen vor Baubeginn oder beim Rückbau die Ermittlung von Materialmengen und Entsorgungsauflagen

In BIM sind die dafür notwendigen Daten schon berücksichtigt, die Anwendungsrealität sieht heutzutage aber noch anders aus. Zwar erfolgen Planungen und Bau bereits in 3D und BIM, nach dieser Phase gerät der Digitale Zwilling allerdings häufig in Vergessenheit und ein grosser  Mehrwert bleibt unberücksichtigt: Die Steuerung des Gebäudes im Digitalen Zwilling über den gesamten Nutzungszeitraum (Smart Home-Anwendungen, PV-Anlagen, Energieverbrauch, digitale Buchungssysteme für Smart-Working-Ansätze, …).

Der zweite Aspekt betrifft die Renovierung, bei der im Digitalen Zwilling alle statischen, energetischen oder schalltechnischen Verbesserungen simuliert werden können, noch bevor das tatsächliche Gebäude berührt wird. Wir wagen sogar zu behaupten, dass zukünftig keine Immobilien mehr ohne einen Digitalen Zwilling erstellt, genutzt und verkauft werden kann. Dieser Zwilling wird im ersten Schritt die Änderungen in der realen Welt nachgepflegt bekommen, aber im nächsten Schritt wird man alle Änderungen, Modernisierungen, Umbauten usw. zunächst in der virtuellen Welt umsetzen und testen, so wie es die Automobilindustrie bereits mit Smart Produktion und Industrie 4.0 vorlebt.

All diesen Aspekten wird mit der Klimakrise und der Ressourcenverknappung noch weitaus höheres Gewicht zukommen. Die Kosten für Heizung werden nicht mehr einmal im Quartal umgeschlüsselt, sondern können live erfasst, ermittelt und berechnet werden. Das ganze Gebäude lebt, ist live mess- und steuerbar. Mittels historischer Verbrauchsdaten, der Nutzungsmuster und weiterer Messwerte wird in Kombination mit Prädiktionen auf Basis von Wettervorhersagen, Arbeitsplatzbuchungen und aktueller Verkehrslagen zukünftig eine KI entscheiden können, wieviel Energie zusätzlich zur PV Anlage benötigt wird, wann welche Räume geheizt werden müssen und wann Beleuchtung und Klimatisierung heruntergefahren werden können, weil niemand mehr vor Ort ist. Damit wird sich das Gebäude selbst steuern und Kosten gesenkt werden.

Ein Zwilling kommt selten allein

Dabei kann der Digitale Zwilling von Gebäuden in ein ganzes Eco-System eingebunden werden: Auch Energie- und Telekommunikationsnetze, Verkehrs- und Umwelteinflüsse wollen gemanagt werden und live einsehbar sein. So wie das Gebäude seine eigenen Daten selbst generiert, werden diese in die Cloud zurückgespielt, um Energieversorgungsunternehmen ebenfalls Produktion und Distribution von Energie zu dynamisieren. Künftig müssen Gewerbeimmobilienmieter auch keine Besichtigungstermine mehr wahrnehmen, sondern können vorab zunächst den Digitalen Zwilling besuchen, sich die energetische und ITK-Infrastruktur anschauen und die Energieeffizienz prüfen. Hier entsteht ein multidimensionaler live Business Case im Körper einer Punktwolke, der alle Belange vom Finanzinvestor bis zum Facilitymanager abdecken kann und muss. Dabei sehen wir den Digitalen Zwilling in einer dreidimensionalen digitalen Umgebung, wo andere Daten aus der Umgebung, wie Wetter-, Verkehrs- oder andere Umweltdaten mit dem Digitalen Zwilling interagieren. Aus diesem Grund liefern wir unsere Digitalen Zwillinge heute schon in einer ArcGIS-Umgebung aus, da hier neben der 3D-Darstellung auch die Verknüpfung mit Open Data-Quellen problemlos möglich ist.

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Thomas Terhorst
Geschäftsführer STF Swiss AG

Thomas Terhorst führt seit 2022 die STF Swiss AG, dem Partner für Digitalisierung sowie nachhaltige und innovative Ingenieurkompetenz in der Schweiz. Zusätzlich ist er als geschäftsführender Gesellschafter der VorPark Immobilien GmbH & Co KG und als Managing Partner der IGLU-Group tätig. Zuvor verantwortete er zahlreiche Projekte unter anderem als CEO der HOCHTIEF Facility Management Swiss AG und als Verwaltungsrat-Präsident der Travis AG. Terhorst verfügt damit über eine ausgezeichnete Expertise im Bereich des (digitalen) Facility Managements.

Aktuelle Entwicklungen und Trends motivieren ihn, die digitale Transformation im Gebäudemanagement immer weiter voranzutreiben und Prozesse über den gesamten Lebenszyklus nachhaltig und effizient zu optimieren.